Die drei Klangkünstler und Bastler Ralf Schreiber, Christian Faubel und Andreas Oskar Hirsch haben sich für unsere POLYMER – Reihe zur „Gartenarbeit“ zusammengetan. Mit installativen Aufbauten aus Hölzern, kleinen solarbetriebenen Motoren und selbstgebauten Instrumenten entstehen „Minimalinterventionen“ im natürlichen Kontext des Kölner Gemeinschaftsgartens NeuLand. Im Interview sprechen Christian Faubel und Ralf Schreiber mit Karl Ludwig über Zurückhaltung, Low Tech und Recycling.
Karl: In euren Arbeiten verwendet ihr kleine Roboter mit Motoren zur Klangerzeugung. Trotzdem seid ihr zur Gartenarbeit ausgezogen… Wie kamt ihr zum NeuLand Köln und was wollt ihr dort anbauen?
Christian: Also du Ralf, hast schon länger Sachen gemacht, die Naturaspekte aufgreifen: kleine Stöckchen, an denen Soundmodule angreifen und ähnliches. Gemeinsam haben wir dann irgendwann angefangen mit Bambus zu experimentieren. Als Baumaterial bei Installationen, aber hauptsächlich in Workshops haben wir rausgefunden, dass das schönes Material ist, um schnell Strukturen aufzubauen. Das ist eine Mischung aus Organischem und Gebautem, wo sich auch solche mechanischen Klangerzeuger gut integrieren lassen.
Ralf: Viele von diesen Motoren sind auch mit Solar versorgt und da ist es natürlich immer schön die Sachen nach draußen zu bringen, weil wir dann an das Tageslicht angebunden sind und damit auch an die Veränderungen.
K: Also wenn eine Wolke kommt…
R: Genau! Wie ein Oszillator eigentlich, der dann nochmal in einem größeren Rhythmus oszilliert – Tag und Nacht oder auch Jahreszeiten, wenn es eine Langzeitinstallation ist.
K: Es geht also auch um lange Zeiträume, in denen sich das entwickelt?
R: Naja; die Arbeit besteht ja aus dem kleinen Eröffnungskonzert. Der andere Aspekt ist eben die Installation, die zwei oder drei Wochen auf dem NeuLand-Gelände montiert steht und dort auch arbeitet. Das heißt die Motoren und Maschinen erzeugen permanent neue Geräusche. Und weil es viele Maschinen sind, sind die auch nicht synchron zueinander, sondern verschieben sich permanent. Die sind ja nicht mit einer einzelnen Energiequelle angetrieben, sondern mit verschiedenen und da werden auch noch kleine Solarzellen dazukommen, das heißt dort gibt es dann auch nochmal Unterschiede bei veränderlichen Lichtverhältnissen.
Das alles läuft auf einem relativ niedrigen Energieniveau ab. Da wird nicht alles auf einmal laufen – eher sehr, sehr wenig. Vielleicht ist das bei der ersten Betrachtung mit einer kleinen Enttäuschung verbunden, das habe ich bei manchen Installationen schon erlebt. [Lachen] Ja, Leute leben ja immer mit einem riesen Spektakel… Also es sind kleine Sachen und wird wenig oder gar nicht verstärkt und deshalb nicht sehr laut.
K: Ist das programmatisch? Dass ihr versucht, natürliche Energiequellen hörbar zu machen und so auch auf dieses sensible Gehör zu fokussieren?
C: Ich würde schon sagen. Ansonsten gerät das schnell aus dem Gleichgewicht und drängt sich zu sehr in den Vordergrund. Es ist eine Minimalintervention in einen natürlichen Kontext, wir gehen ja jetzt nicht in den White Cube, sondern in diesen Garten. Sobald das verstärkt ist, kann sowas viel schneller jemanden verstören, also sowohl die Leute, die da ihren Garten haben, als auch die Tierwelt drum herum. Insofern ist es schon bewusst, da jetzt nicht mit großem Effekt dran zu gehen.
Vor Jahren hatten wir ein Projekt, wo wir die Motoren auf Overheadprojektoren gelegt haben und damit rumgefahren sind. Meine ersten Tests damit habe ich damals im Jura gemacht. In so einer einsamen Schlucht hatte ich dann einen Projektor mit Autobatterie dabei. Das war ein tolles Panorama: so eine riesen Felswand, in der Mitte kam ein Wasserfall runter… Und dann waren um sechs Uhr in der Wand die Bergziegen und da dachte ich mir, da kannst du doch jetzt nicht Licht draufballern, wenn es dunkel wird… Dann waren die aber irgendwann weg, und ich habe das Licht doch noch angemacht. Aber wenn Natur der Rahmen ist, kannst du eben nicht mit 80Watt Licht draufgehen, das muss total gedimmt sein.
R: Insofern vielleicht nicht nur programmatisch als auch einfach pragmatisch, weil es eben kein Kabel gibt, das da hingeführt wird und Energie liefert in das System. Ich finde es eigentlich konsequent zu sagen „Das ist ein geschlossenes System, das arbeitet aus sich heraus und hat dadurch eine große Eigenständigkeit.“ Viel mehr, als wenn man da Energie zuführt von der Steckdose. Energie, die von ganz woanders herkommt. Alles wird letztendlich, so wie die Töne auch, in Echtzeit erzeugt, weil die Solarzellen das Licht in Strom umwandeln. Die Energie kommt eben auch aus dem Ort, genauso wie man sich ja klarmachen muss, dass alles was wächst vom Licht kommt.
K: Wird dann der Klang eine Art Erkenntnisinstrument? Möchtet ihr dadurch auf diese Prozesse in der Natur hinweisen?
C: Was mich interessiert ist, wie aus Wechselwirkungen zwischen elektronischen Einzelteilen und größtenteils analogen Prozessen schon eine sehr organische Klangwelt entsteht. Das ist schon so ein Experiment, ein Versuchsaufbau, um genau an den Punkt so kommen, wo es eine Bereicherung und keine Störung ist. An dieser Schwelle… Das kann auch schiefgehen!
R: Da sagst du ganz richtig, es ist ein Versuchsaufbau, der auslotet inwieweit man überhaupt als Mensch willentlich Musik erzeugen kann, die so wenig will, wie sie nur wollen kann, die sich eigentlich nur einfach so ergibt.
K: Geht es also auch ein Stück weit um eine Versöhnung von Natur und Technik?
R: Uhhh!
C: Auf eine Art…
R: Ja vielleicht, aber ich würde es mir nicht auf die Fahnen schreiben.
C: Nein. Weil das auch zum Scheitern verurteilt ist. Aber sich daran abarbeiten ist eine interessante Auseinandersetzung und dahin zu kommen, wo sich das verträgt. So gesehen könnte man schon sagen…
R: Also wir haben jetzt keinen Auftrag, das muss man ganz klar sagen. Wir können ein bisschen für eine Sache werben und das sind kleine Maschinen, die sehr soft und möglichst wenig störend arbeiten.
K: In dem Zusammenhang spielt ja die Vermittlung bei euch auch eine große Rolle: Ihr macht beide viele Workshops. Christian, du entwickelst sogenannte „Philsophical Toys“ – das ist ja schon ein Auftrag, technisches Wissen zu vermitteln…
C: Das steht jetzt bei der Installation nicht im Vordergrund, aber es sind tatsächlich schon so Erkenntnismaschinen, weil man sich daran gewisse Prinzipien klarmachen kann. Zum Beispiel, dass man nicht viel braucht, um komplexe Strukturen zu erzeugen. Da muss ich keinen Computer hinstellen, sondern das geht mit wenig. Aber im Idealfall steht das halt nicht dran, sondern du gehst hin und das spricht für sich und ist spannend.
K: Gerade bei den Arbeiten mit Overheadprojektor wird sehr deutlich wie das zusammengreift. Das hatte für mich eine große Transparenz, weil man sieht „Das macht das und das macht das“
R: Und der Klang verändert sich ganz extrem dadurch. Das ist das was auch uns interessiert. Ganz selten machen wir Konzerte nur mit Instrumenten, sondern meistens probieren wir noch was Visuelles da zu haben, auch bei der Installation, die jetzt geplant ist auf dem NeuLand-Gelände: Man hört diese Klänge aber gleichzeitig sieht man den Aufbau, man sieht auch die Quelle. Und das ist etwas ganz Anderes als wenn man nur die Motoren sehen würde oder die Klänge hat, ein Gesamteindruck mit ganz viel Potenzial. Das erlebt man ja bei jedem live-Konzert. Man kann dann einfach anders hören und nimmt‘s auch anders wahr.
K: Dieses Visuelle im Vergleich zum Klang, welchen Stellenwert hat das?
C: Das hat sich total verschoben: Als wir angefangen haben, hat das Visuelle das Ganze getragen, würde ich sagen, weil wir einfach unsere Maschinen genommen, sie auf die Projektoren gelegt und geschaut haben, was passiert. Mittlerweile geht es vielmehr um Klangforschung.
R: Aber eigentlich muss es natürlich gleichwertig sein, also im besten Fall ist es das Visuelle nicht zu stark und das Akustische auch nicht zu stark. Dass man die Möglichkeit hat zu gucken, aber auch wieder hören kann, sich manchen Sachen annähert, sie dadurch auch ein bisschen intensiviert, aber immer seinen Abstand wählen kann.
K: Diese Entwicklung der Maschinen hat ja immer auch so einen DIY-Aspekt. Christian, du sprachst von ‚Interventionen‘ oder hast ein Projekt „Werde Teil des Gesamtwiderstands“: Steckt da in dieser immer umfassender technifizierten Welt auch ein Gedanke der Ermächtigung drin?
C: Unbedingt ja! Für mich ging‘s damit eigentlich los und ist immer noch die treibende Kraft: Lernen durch Machen, Fehler erlauben und auch eine bewusste Entscheidung mit low tech zu arbeiten, weil das nicht so teuer ist, wenn man was falsch macht.
R: Ich habe als Kind schon gebastelt, alles aufgemacht, viel, viel, viel kaputt gemacht. Damals gab es ja wenig Schaltpläne, es gab ja auch kein Internet und man musste sich alles selber erarbeiten oder erforschen.
C: Auch für mich waren das die Startbedingungen. Ich wollte mich mit was beschäftigen, wo jeder eigentlich einen Zugang zu kriegen kann und nicht erst studiert haben muss oder investieren können muss, damit man zum Machen kommt…
K: Was man ja sehr oft hört, „jahrelang gearbeitet, jetzt kann ich mir ein MacBook kaufen und endlich Musik machen…“
C: Richtig. Ein Freund von mir hat sich immer Platten gekauft und wollte immer schon auch als DJ arbeiten, aber meinte, das geht erst, wenn ich zwei fette Plattenspieler hab. Und dann hat der nichts gemacht! Ich würde halt sagen „Kaufste dir aufm Flohmarkt zwei billige Plattenspieler und legst los.“ Und den Mixer baust du dir selber…
R: Da braucht man zwei Poti, einen eigentlich nur…
K: Das heißt Software ist bei euch eigentlich ganz draußen? Rhythmen werden bei euch ganz ohne Programmierung erzeugt?
R: Bei dir nicht, also nur ganz selten. Wenn wir zusammen spielen hast du auch mal einen Sequencer am Start, der ist digital. Bei mir ist es teilweise sogar so, dass es rein digitales Equipment ist. Wobei es dann immer so ist, dass es auch in Echtzeit programmiert wird. Also wir haben jetzt keine Pattern, die abgelegt werden, keine MIDI-files oder dergleichen. Und bei Installationen benutze ich dann schon auch mal Controller, eben für Abläufe, für bestimmte Zugriffe, die ich gerne haben möchte, weil es einfach einfacher ist. Auch in den Workshops benutze ich teilweise kleine Mikroprozessoren, weil man damit einfach mit weniger löten ganz schöne Schaltungen hinbekommt. Im besten Falle geht es dahin, dass man auch selbst Programmieren kann, aber das ist mit Kindern manchmal ein bisschen schwierig, einfach weil die Zeit nicht reicht.
C: Aber wir arbeiten nicht klassisch digital, also nicht mit Software im Sinne von Musikproduktionssoftware, MIDI oder sowas.
R: Eigentlich gar nicht. So kleine Schlagwerke, die digital funktionieren habe ich schon, aber die sind dann wirklich ganz rudimentär digital. Ein Großteil des Workshops ist vielmehr die Mechanik zu bauen, Federn an Motoren bringen. Man sieht dann aber auch, dass das Digitale im Spiel schnell am Ende ist. Wenn man etwas looped ist das natürlich auch schnell tot, es läuft sich schnell kaputt. Das merkt man erst, wenn man es mal einsetzt und sieht: eigentlich will ich da vielmehr rumstellen, mehr drehen und händisch rein, Abstände variieren, Anschlagsdynamiken verändern – einfach durch eine Veränderung der Distanzen der Objekte zueinander. Das ist viel reizvoller und spannender und auch viel besser zu kontrollieren.
C: Das ist eigentlich auch die Schnittstelle zu Andreas: wenn so ein Schlagwerk digital angetrieben ist, passiert nochmal ganz viel auf der klanglichen Ebene beim freien Eintunen, wie etwas anschlägt, was der anschlägt. Am Ende ist die eigentliche Klangerzeugung, weil die elektromechanisch ist, dann auch total kompatibel mit dem Instrumentarium von Andreas, der ja zum Beispiel mit der Hand zupft.
R: Andreas benutzt ja auch ganz einfach Motörchen, so kleine rotierende Motoren mit Gummis dran, mit denen er ein Grammophon bearbeitet. Sein elektrifizierter Palmwedel hat auch Hilfsmaschinen dran, mit denen er rasante Schlagfrequenzen erzeugen kann.
C: Wir treffen uns in diesem Basteln und in der Klangästhetik dieser Konstruktionen.
K: Diese modularen Bambusaufbauten, da spielt Buckminster Fuller eine Rolle?
C: Ja, mit der Grundkonstellation des Dreiecks eigentlich.
R: Die Idee einfache geometrische Formen, also den Tetraeder, zu nehmen und dadurch dann architektonische Gebilde aufzubauen, da ist sicherlich Buckminster Fuller der berühmteste. Wir haben das bislang in unseren Workshops verwendet, weil dann aus kleinen Elementen eine gemeinsame Sache entsteht. Wie das auch im Sozialen der Fall ist, dass jeder für sich einen kleinen Teil baut, das dann als Gemeinschaftsarbeit zusammengefügt wird. Jetzt nehmen wir dafür zum ersten Mal Hölzer, die wir in Waldgebieten der Umgebung suchen und finden. Im besten Falle sieht das dann so aus wie solche Strukturen, die Kinder zu COVID-Zeiten im Wald gebaut haben…
R: Das wird sich einfach vor Ort zeigen. Wir müssen gucken wie es sich dort integriert. Es wird schon eine Struktur haben, aber sehr leicht eben. Es sind natürlich auch immer Sachen drin, die naturfremd sind. Zum Beispiel die Gummis, mit denen wir das verbinden. Da nehmen wir jetzt kein Hanf oder so…
C: Das dauert einfach zu lange.
R: Man könnte das ja wunderbar flechten, völlig organisch machen, aber da ja eh Elektronik drin ist, die wieder raus muss, die auch noch nicht verrottet…
C: Ja das ganze Ding muss leider wieder abgebaut werden.
R: Im besten Falle würde man es wirklich aus kompostierbarer Elektronik aufbauen, die es hoffentlich mal geben wird. Muss es ja irgendwann mal geben!