Anne Krickeberg ist Instrumentalistin, Komponistin und Medienkünstlerin. Im Sommer wird sie für die neue Experimental- und Klangkunst-Reihe Polymer gemeinsam mit Anja Lautermann, Julia Bünnagel und Frauke Berg „zeitlose Kammermusik“ inszenieren. Bei einem Kaffee erzählte sie mir von Ihrer Arbeit und anstehenden Projekten.

Foto: Alexander Reischert
kh: Viele deiner Projekte kreisen um den Gedanken der Achtsamkeit und des Dialogs- mit anderen Musikschaffenden, dem Publikum, der Umgebung. Ist das für dich Voraussetzung und Konzept?
AK: Kommunikation ist mir immer sehr wichtig, obwohl es gar nicht so einfach ist. Einerseits wünsche ich mir eine gute Verbindung, auf der anderen Seite gibt es auch eine Tendenz dem auszuweichen. Die Atmosphäre im Raum spielt aber immer eine große Rolle. Ich habe letztens ganz spontan in einer Wohnküche gespielt und war überrascht, was dort für eine Stimmung entstanden ist. Es gab eine ganz große Aufmerksamkeit und ein positiv wohlwollendes Interesse. Im Wasserschloss Quilow zum Beispiel konnte ich stundenlang beobachten, wie die Menschen auf meine Installation reagierten. Das war ein ganz komplex angelegtes Projekt und die meisten sind sehr oberflächlich damit umgegangen. Es war auch schwer zu erfassen und manche hatten dann lediglich ihren Spaß und das ist natürlich auch in Ordnung.
kh: Wie reagierst du auf so ein Erlebnis? Wie entstehen neue Konzepte?
AK: Meine Projekte sind oft gegenteilig zum Vorangegangenen. Ein Projekt wie Stahlsaitenklänge zum Beispiel war sehr flächig. Ich hatte dabei die Schwingungen in meiner Umgebung thematisiert. Als Kontrast folgte dann xy², eine Video-Klang-Installation aus Punkten und kurze Signalen. Es war ein tolles Projekt mit international bekannten Künstlern wie Rolf Julius. Danach wollte ich lieber wieder kleinere Projekte und Meditation machen. Mich mehr mit persönlichen, mir wichtigen Dinge und mir selbst beschäftigen.
kh: Wie hat sich deine künstlerische Arbeit dadurch über die Jahre entwickelt?
AK: Vielleicht bin ich ein bisschen freundlicher geworden. Peter Kowald, mit dem ich früher gespielt habe, der hat in Bezug auf mein Spiel mal von Verweigerung gesprochen. Die Verweigerung von Schönheit oder Entspannung. Das ist in der improvisierten Musik auch ein bisschen der provokative Geist der 80er. Das hat sich stark verändert. Ich kümmere mich jetzt nicht mehr um Regeln, die da sagen würden, man darf keine Harmonie spielen und keinen Dreiklang oder keine Terz. Das interessiert mich jetzt nicht mehr. Die Wahrheit und das Authentische des eigenen Wahrnehmens ist intuitiv. Das steht im Mittelpunkt.
kh: Was wünschst du dir für zukünftige Projekte?
AK: Ich wünsche mir grundsätzlich immer Sensibilität und Offenheit zu spüren. Ich wünsche mir stille Momente, insofern als Stille auch relativ ist, innehält und andere Perspektiven zulässt. Ich sehe es auch als meine Möglichkeit dafür Orte zu schaffen. Dazu einzuladen, dies zu tun.
kh: Wie sieht die nächste Zeit bei dir aus? Welche Projekte stehen bevor?
AK: Ich werde eine Auszeit nehmen und mich mit der Kommunikation mit Pferden beschäftigen. Für mich ist das eine Fortsetzung von Meditation, Yoga und Körperwahrnehmung. Man kann anhand der Reaktion von Pferden ganz viel über die eigenen Bewegungen im Raum, über Energie und Ausstrahlung lernen. Ich werde zu einer Spezialistin auf einen Pferdehof in Bayern gehen, dort ein Coaching mitmachen und leben. Langfristig soll die Arbeit mit Pferden auch ein musikalisches Projekt werden. Aber eins nach dem anderen. Jetzt möchte ich erstmal die Sprache der Pferde intensiver lernen.
kh: eure Performance für Polymer sprecht ihr von eurem persönlichen Bezug als Künstlerinnen und dem Spiel von Kontrasten und Gemeinsamkeiten. Wie habt ihr euch für das Projekt gefunden?
AK: Anja ist mir aus der Runde am Vertrautesten. Sie kenne ich schon sehr lange. Damals haben wir bei Peter Kowald zusammen improvisiert und uns verbinden sehr viele unterschiedliche Projekte. Wir können klassische Musik, Barockmusik oder neu komponierte Werke mit improvisierter oder intuitiver Musik verbinden, was ich sehr schön finde. Für uns alle ist das Zusammenspiel der Disziplinen bildende Kunst und Musik spannend. Auch das Zusammenführen barocker Klänge mit beispielsweise dem Geräusch aufeinander schlagender Löffel ist reizvoll und kontrastiert. Es liegt vielleicht aber nicht so weit auseinander, wie man erst vermutet. Das wäre jetzt ein Beispiel. Und allein durch unsere unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen bilden sich Kontraste – Julia hat zuletzt mit modifizierten Schallplatten gearbeitet, ich komme aus der alten Musik, Anja aus dem Jazz und Frauke aus der Bildenden Kunst. Dass wir uns zusammengefunden haben, hat auch sehr viel mit persönlichem Verstehen zu tun und mit meinem Ansatz, sich über Intuition, die auf Meditationspraxis basiert, zu verbinden. Aber auch hier wird es Unterschiede und Kontraste geben.
kh: Ihr sprecht auch von „zeitloser Musik“. Was meint ihr damit?
AK: Also die Barockzeit ist zum Beispiel eine sehr definierte Zeit und gleichzeitig ist alles ein Kontinuum. Alles verändert sich und entsteht aus dem anderen. Diese Zuordnung von „zeitbegrenzter Musik“ wie Barock, Klassik, Jazz ist ein bisschen willkürlich. Wir versuchen den zeitlosen Aspekt frei von Genres und Kategorien zu thematisieren. Wichtig ist die Energie, mit der ich etwas sage, oder die zeitliche Struktur und das Anliegen dahinter.
kh: Ihr habt für eure Performance Veranstaltungsorte wie einen Gerichtsaal, ein Fitnessstudio und eine Gemeinschaftsküche angedacht. Warum sucht ihr einen so ungewöhnlichen Raum?
AK: Damit ein Spannungsfeld entsteht – ein Fitnesscenter ist ein sehr definierter Raum, damit stellt es einen Gegensatz zu dem dar, was wir machen. Bei uns sind die musikalischen Strukturen nicht festgelegt, sie entwickeln sich erst. Dabei spielt unsere Offenheit dafür eine zentrale Rolle. Eine Gemeinschaftsküche war im Gespräch, weil hier das Spannungsfeld nicht so eng gefasst ist. Man könnte ein Art Soundküche entstehen lassen. Das Publikum könnte statt konkreter Lebensmittel ihre Lieblingsklänge mitbringen und wir verbinden die Klänge symbolisch und im übertragenen Sinne. Als neue Kooperation ist die Suche nach einem geeigneten Raum aber auch Teil der Kommunikation.
Das Interview führte Rose Weissgerber