Das impakt Kollektiv für Improvisation und aktuelle Musik Köln
Wenn Philip Zoubek betont, in den letzten „fuchzehn“ Jahren hätten sich vermehrt Kollektive formiert, ist der österreichische Einschlag deutlich erkennbar – nicht ganz unauffällig in Köln, wo er vor acht Jahren an der Gründung des Kollektivs impakt beteiligt war. Doch ist solches Lokalkolorit nicht längst entwurzelt – erst recht mit ubiquitär gestreamten Konzerten und digitaler Vernetzung? „Wir leben in einem post-improvisatorischen Musik-Szenario, weil ganz viele von den Extremen bereits durchdekliniert wurden.“ antwortet Zoubek. „Es gab einen Pluralismus von eigenständigen Stilen, den man in verschiedenen Städten und Zentren angetroffen hat und wir sind eigentlich schon die nächste Generation, die damit spielerisch umgeht.“ Was also hält in der ungebunden freien Improvisation ein Kollektiv zusammen? Und wie profiliert sich ein Label, das mit „aktueller Musik“ laut eigener Beschreibung die „stilistische und klangliche Vielfalt der heutigen Zeit“ im Namen führt?
[Ich sortiere meine Werkzeuge/Materialien]*
Tatsächlich fischen die dreizehn Musiker*innen des Kollektivs „in sehr unterschiedlichen Gewässern“, meint Stefan Schönegg. Er selbst hat erst klassischen Kontrabass studiert, bevor er über den Jazz zur improvisierten Musik kam. Sein Projekt Enso etwa versammelt mit einer Viola da Gamba (Nathan Bontrager) oder einer Snare-Drum, die mit einer Vielzahl an Schlägeln und erweiterten Spieltechniken zum selbständigen Instrument wird (Etienne Nillesen), eigenwillige Klangkörper und verbindet sie auf Zyklus von 2019 und im erweiterten BIG Enso Album von 2020 zu filigranen, leisen, haptischen Texturen. Leonhard Huhn dagegen präsentiert auf Die Fichten veritable Jazz-Nummern wie „Blues for Dominik“ oder „Feudales Cabriolet“, die mit blue notes und synkopierten Licks freilich so augenzwinkernd wie die Titel klingen. Die schnellen, zellulären Mobiles der Pianistin Marlies Debacker sind an der neuen Musik geschult, Florian Zwißler bringt den Synthesizer ins Kollektiv ein und Salim Javaid erweitert den Klang des Saxofons mit Spieltechniken wie Multiphonics oder kehligem Growling. Sie alle haben ihre eigenen Formationen, in denen immer auch Musiker*innen mitwirken, die sich nicht zu impakt zählen. Die Schlagzeugerin Rie Watanabe etwa kommt aus der Neuen, komponierten Musik und mit der Alten Musik vertraut ist die Flötistin Miako Klein. So verbinden sich viele komplexe Moleküle zu einem polymerischen Gebilde, das schwer zu fassen ist.
Hexenschreie, Ungeheuerlachen
Ist also in dieser spielerischen Vielfalt, die aus den über 20 Releases im Katalog von impakt-Records spricht, der Kollektiv-Gedanke allein auf Organisatorisches begrenzt? „Ein Grund, warum sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren vermehrt Kollektive gegründet haben, war, dass man gemerkt hat: Einzelkämpfer*innentum zahlt sich nicht aus.“ Und Zoubek gesteht ein: „In gewisser Weise haben wir es aus Eigennutz gemacht.“ impakt ist dann ein loser Zusammenschluss von eigenständigen Musiker*innen, die sich für kulturpolitische Power zusammengetan haben. Denn vor allem ist das Kollektiv ein Phänomen der Kölner Szene und dient auch als Plattform zur Interessenvertretung und Darstellung für lokale Förderungen. Stefan Schönegg begründet denn auch den Austritt des Trompeters Brad Henkel und anderer aus dem Kollektiv mit dessen Wegzug nach Berlin: „Wir versuchen auch die Belange der improvisierten Musik zu vertreten und Leute, die jetzt nach Berlin ziehen, können aus der Ferne, was das angeht, nicht mehr so gut mitarbeiten.“
Suchen tue ich alte Klänge. Neue Klänge werden gefunden.
Gerade in Henkels Zusammenarbeit mit Jacob Wick „I saw a lightbulb flickering. I moved towards it and it was morning“ kristallisiert sich aber vielleicht am deutlichsten eine Klanglichkeit, die auch über kulturpolitische Zwecke hinaus die musikalische Vielfalt verbindet: Ohne eine einzige bestimmbare Tonhöhe erkunden die beiden Trompeter die Luftgeräusche ihres Instruments in flatternd bewegten Oberflächen, Schnalz- und Schließgeräuschen, deren Repetition die Grenze zum maschinellen weißen Rauschen verwischt. An dieser Grenze treten gepresste, höchste instabile Töne hinzu, unter denen die Oberfläche des Klangs brüchig wird. Durch äußerste Reduktion entstehen so intensive, intime Räume. Auch die neueste Veröffentlichung, Earis, vom Emiszatett der Cellistin Elisabeth Coudoux, bewegt sich an der Grenze zum Geräusch und verdichtet mikroskopische Details zu aufgewühlten Texturen. Klangliche Reduktion ist sicherlich ein impakt-Charakteristikum.
Die zufälligen Eigenschaften meines Instruments, dessen Oberflächen und materiellen Mängel.
Doch die langen sirenenartigen Heuler des Posaunisten Matthias Muche, Pegelia Golds irrisierende Stimme und die von Elisabeth Coudoux komponierte Struktur schaffen melodische und laute Gegenpole und geben auch diesem Album eine unvergleichbare Eigenständigkeit. Es ist diese nicht greifbare Kombination einer gemeinsamen Verschiedenheit, die die Mitglieder von impakt in einem schriftlichen Interview vor allem betonen: Im Kollektiv gäbe es „trotz aller Verschiedenheit ein Grundverständnis davon, was die anderen machen.“ Dem „Genau“, „Yes“ und „Absolut“ fügt auch Philip Zoubek hinzu: „Es gibt schon einen gemeinsamen Nenner, wenn man ein bisschen vom Material-Aspekt weggeht und die Haltung dahinter in Betracht zieht, wie man nämlich kommuniziert. Ich finde, da gibt es bei uns schon eine Gemeinsamkeit, unabhängig vom Material. Wie ist das interne Hör-Radar eingestellt? Das ist total schwierig zu definieren, aber es geht ein bisschen darum, wie eigentlich der Dialekt ist. Ich finde, da haben wir unser eigenes Ding.“
Der Raum, Energie und Tiefe eines Klangs
Ende Mai trifft impakt in einem gemeinsamen Konzert in Köln auf das Kollektiv gamut aus Zürich. Zwei Kollektive in der Stil-Freiheit der ungebundenen Improvisation – aktuelle Musik. Doch verpufft der gemeinsame Anfangsimpuls in Irritation, wartend ausgehaltenen Tönen und dem schüchternen Versuch eines Ornaments. Erschreckt verstecken sich die allzu klaren Töne der Akkordeonistin Tizia Zimmermann unter den körnigen Sounds der Bläser. Bei aller Aktualität und Offenheit tritt so gerade in Konfrontation mit einem anderen Kollektiv – mit seinem eigenen Label – hörbar zu Tage, wie schwierig improvisatorisches Verständnis und wie eigenständig der musikalische Dialekt des Kölner Kollektivs ist. Es ist eine unscharfe Treffsicherheit, die auch Philip Zoubek für die Musik von impakt anvisiert: „Wenn die Musik wirklich gut ist, kann sie eine ganz schöne Power und Intimität – beides zugleich eigentlich – erreichen.“
Aktuelle Musik ist Musik von Leuten, die nicht glauben, dass früher alles besser war.
Mit seinem Label kondensiert impakt das Kölsche Lokalkolorit und löst es im selben Atemzug in der Unvergleichbarkeit ihrer aktuellen Klänge wieder auf. Die Frage nach dem Kollektiv verschwindet so im Prozess, durch den es entsteht, und den die dreizehn Impaktler*innen gemeinsam verschieden umreißen: „Austausch und Support“ „Austausch auf allen Ebenen“ „Austausch und eine Möglichkeit mehr Leute zu erreichen mit dieser Musik“ „Schubkraft und das Gefühl mit ähnlichen Leuten an einem Strang zu ziehen“ „die einzige Möglichkeit sich beieinander zu halten und gegen diesen Egowahn anzukämpfen“ „Skepsis, Forschung, konstante Reflexion, Lust auf Neues, Spontanes und auf Improvisation“ „und die Liebe zur Improvisation, zum spontanen musikalischen Austausch“.
Karl Ludwig
* Die Einwürfe stammen aus einem schriftlichen Interview unter den Mitgliedern des Kollektivs. Das persönliche Interview mit Philip Zoubek und Stefan Schönegg fand am 10. Mai 2021 online statt. Herzlichen Dank ihnen beiden und dem impakt-Kollektiv.
Alle Fotos: imapkt e.V.