
Viola Yip | Foto: Gerhard Kühne
GEDANKEN ÜBER den Körper als Technologie
von Viola Yip
Als Künstlerin beschäftige ich mich damit eigene Instrumente zu bauen und entwickele Klangperformances an der Schnittstelle von Komposition, Performance, Improvisation und Klangkunst, wobei ich die Beziehungen zwischen Medien, Materialien und dem Raum durch performative musikalische Körper erforsche. Musikalische Körper spielen in meiner künstlerischen Arbeit seit jeher eine wichtige Rolle. Jenseits traditioneller Vorstellungen von Technik und deren Exekution fungieren sie als Arbeitshypothese für verschiedene künstlerische Konzepte:
(1) Der Körper als Ort der Inter- und Transmedialität.

Viola Yip »vibrations vibrantes« | Videostill: Adam Mirza
Zu Beginn meiner Arbeit habe ich darüber nachgedacht, welche Fähigkeiten musikalisch geschulte Körper über die traditionellen Instrumente und Klänge hinaus haben können. In meiner Soloarbeit Bulbble habe ich ein Instrument entwickelt, das aus selbstgebauten Sensoren, Arduinos, Relais und Glühbirnen besteht. Das Instrument ermöglicht es meinem Körper, sich um die Sensoren herum zu bewegen und das Wechselspiel von Licht, Schatten und Klängen durch Berühren und Klopfen der Relais zu beeinflussen.
Ich betrachte Licht und Klang gerne als transmediale musikalische Kontrapunkte. Licht als Musik zu konzeptualisieren verlangt von uns, Musik mit all unseren Sinnen und körperlichen Affekten multimodal wahrzunehmen. Das erlaubt es uns, Musik in ihrer ganzen Fülle zu erleben, welche jenseits der rein klanglichen Materialität liegt.
(2) Der Körper als Schnittstelle für Feedbackschleifen zwischen Komposition und Performance.

»Lazy Studies« | Foto: Adam Hrubý
Mein Stück Lazy Studies besteht aus einer modifizierten drehbaren Servierplatte, die als performatives Gerät zur Erzeugung von Rückkopplungen zwischen einem Mikrofon und drei Lautsprechern dient. Durch meinen Körper als zentralen Punkt der Wahrnehmung komponiere und performe ich gleichzeitig, indem ich die Platte drehe und so die Beziehung zwischen den Lautsprechern und dem Mikrofon verändere, die taktilen Vibrationen an meiner Hand und meinem Körper spüre, auf die Klangqualität der Rückkopplungen in der jeweiligen Akustik höre – und wiederum beobachte, wie all diese Elemente meine körperliche Wahrnehmung des Raums verändern. Diese Intra-Aktionen erzeugen eine Feedbackschleife von Komposition und Performance, die für meine musikalische Praxis sehr zentral geworden ist.
(3) Der Körper als Navigator für die Erforschung von Mensch-Maschine-Beziehungen und das Gehör für nicht-menschliche Potenziale.
Der Bau von Musikinstrumenten ist eine leere Leinwand für Design und Komposition, wodurch Funktionalität und Verhalten von Maschinen bewusst und musikalisch gestaltet werden können, aber auch die Art und Weise, wie Körper mit ihnen umgehen. Als Instrumentenbauerin, Komponistin und Performerin spielt mein Körper beim Entwerfen, Testen, Spielen und Konstruieren von kompositorischem Material mehrere Rollen gleichzeitig. Dabei suche ich nach interessanten Beziehungen zwischen Menschen, Objekten und Maschinen, die in den Klangresultaten artikuliert und verstärkt werden können.
Bei der Arbeit mit Objekten, die eine instrumentale Umgebung bilden, ist es unabdingbar, den nicht-menschlichen Möglichkeiten und Einflüssen große Aufmerksamkeit zu schenken. In Bulbble beispielsweise verursachen elektromagnetische Interferenzen, die aufgrund der unmittelbaren Nähe mehrerer Relais entstehen, eine andere Art von Klang und Licht. In meinen Lazy Studies hängt die klangliche Qualität der Rückkopplung weitgehend von der Platzierung, der Größe und dem Material der Lautsprecher ab sowie davon, wie diese mit dem Mikrofon und der Materialität des umgebenden Raums zusammenhängen. Wenn ich diese gegebenen, aber auch gestalteten Beziehungen zwischen den Objekten in den Vordergrund rücke, prägt dies auch die Art und Weise, wie ich performe, und hebt so die Verflechtungen zwischen meinem Körper und meinen Instrumenten hervor.

»Forms of Erasure« (Viola Yip und Ken Ueno) | Screencapture: Viola Yip
Schlussfolgerung
Der Bau von Instrumenten für meinen eigenen Körper und den anderer Menschen hat es mir ermöglicht, das Konzept von Technologie neu zu überdenken. Beim Bau meiner Musikinstrumente beziehe ich die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine ein und konzeptualisiere somit auch den menschlichen Körper selbst als Technologie. Einerseits wird damit der technologische Aspekt des menschlichen Körpers hervorgehoben, durch den wir unsere Fähigkeiten beim Musizieren erweitern. Andererseits weicht diese Konzeptualisierung die Grenze zwischen Mensch und Maschine auf und erkennt in einem kybernetischen Ansatz des Hörens und Musizierens deren fließende Grenzen an. Durch meine Praxis möchte ich fragen, wie die Einbettung musikalischer Körper in verschiedene Umgebungen eine alternative musikalische Kreativität ermöglichen könnte, die die zeitgenössischen musikalischen Praktiken unserer Zeit erweitert und herausfordert.
Den englischen Originaltext des Artikels gibt es hier zu lesen.
Die Videos der Aufführungen finden Sie unter violayip.com.